Lars Holm: Authentischer Gravelbike-Blogger


Wenn man durch das Fenster von Lars Holms Altbauwohnung blickt, sieht man oft genau das, was man im hohen Norden erwartet: einen tiefgrauen Himmel, der nahtlos in den Horizont übergeht, und Bäume, die sich im stetigen Westwind wiegen. Doch drinnen, in seinem skandinavisch minimalistisch eingerichteten Wohnzimmer, herrscht eine Wärme, die nicht nur von der Heizung kommt. Es ist die Leidenschaft für das Unperfekte, das Echte und das Handfeste. Lars Holm ist kein Rennradfahrer, der Sekunden jagt. Er ist ein Entdecker, der Geschichten sammelt. Sein Blog „Deich & Schotter“ ist in der deutschen Fahrradszene längst kein Geheimtipp mehr, sondern eine digitale Heimat für alle geworden, die das Radfahren als Flucht aus dem durchgetakteten Alltag begreifen.

Lars sitzt entspannt auf seinem hellgrauen Sofa, die Beine übereinandergeschlagen, eine Tasse dampfenden Filterkaffee in der Hand. Neben ihm, fast wie ein Möbelstück integriert, lehnt sein Gravel Bike. Es ist nicht irgendein Rad aus Carbon, das im Windkanal geformt wurde. Es ist ein solider Stahlrahmen, gezeichnet von Schlammspritzern der letzten Tour und kleinen Kratzern, die wie Narben von Abenteuern erzählen. Für Lars ist dieses Rad mehr als ein Fortbewegungsmittel; es ist sein Werkzeug, um die Welt zu entschleunigen.

Vom Agenturstress zur Freiheit im Sattel

Noch vor fünf Jahren sah Lars‘ Leben ganz anders aus. Als Art Director in einer großen Hamburger Werbeagentur bestand sein Tag aus Deadlines, Pitches und endlosen Meetings in klimatisierten Räumen. Der Erfolg war da, aber das Gefühl der Erfüllung blieb aus. „Ich hatte das Gefühl, mein Leben nur noch in Outlook-Kalendereinträgen zu messen“, erzählt er rückblickend. Der Wendepunkt kam an einem verregneten Novemberwochenende, als er sich spontan ein altes Crossrad lieh und einfach losfuhr – ohne Ziel, ohne Tacho, nur der Nase nach.

Diese erste Fahrt durch den Matsch der Harburger Berge, bei der er völlig durchnässt, aber mit einem breiten Grinsen nach Hause kam, veränderte alles. Er kündigte nicht sofort, aber er begann, seine Prioritäten radikal zu verschieben. Heute arbeitet er als freier Fotograf und Texter, doch sein Herz gehört dem „Slow Gravel“. Diese Philosophie zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben und seinen Blog. Es geht ihm nicht darum, wie schnell man von A nach B kommt, sondern darum, was man auf dem Weg dorthin wahrnimmt: den Geruch von feuchtem Waldboden, das Knirschen des Schotters unter den breiten Reifen und die Stille, die nur vom eigenen Atem unterbrochen wird.

Was bedeutet „Slow Gravel“?

Für Lars ist Slow Gravel die bewusste Entscheidung gegen Leistungsdruck. Es bedeutet, an jeder schönen Lichtung anzuhalten, die Kamera auszupacken oder einfach einen Kaffee zu kochen, anstatt auf den Durchschnittsgeschwindigkeits-Wert zu starren.

Ästhetik des Unperfekten: Wolle statt Lycra

Wer Lars auf seinen Touren begegnet, wird ihn selten in neongelber Funktionskleidung sehen. Sein Stil ist so authentisch wie seine Texte. Ein grob gestrickter Wollpullover, eine robuste Jeans oder eine Flanellhose und feste Lederschuhe sind seine Standardausrüstung. „Warum soll ich mich verkleiden, nur weil ich auf ein Fahrrad steige?“, fragt er und lacht dabei, während er sich durch die leicht verstrubbelten Haare fährt. Er glaubt fest daran, dass Radfahren ein natürlicher Teil des Lebens sein sollte und keine abgekoppelte Sportart, für die man in eine Uniform schlüpfen muss.

Diese Haltung spiegelt sich auch in seiner Fotografie wider. Lars nutzt fast ausschließlich Festbrennweiten, oft eine klassische 35mm-Linse, die seinen Bildern einen dokumentarischen, fast intimen Look verleiht. Er bearbeitet seine Fotos kaum nach. Der graue Himmel über Schleswig-Holstein bleibt grau, die Hauttöne sind natürlich, und wenn ein Bild leicht unscharf ist, weil er es während der Fahrt aus der Hüfte geschossen hat, dann bleibt es so. Diese Ehrlichkeit ist es, die seine Follower so schätzen. In einer Welt voller hochglanzpolierter Instagram-Profile wirkt der Content von Lars Holm wie eine wohltuende, geerdete Realität.

Die Werkstatt im Wohnzimmer

Ein besonderes Highlight für seine Community sind die Einblicke in sein Zuhause. Da Lars in einem Altbau ohne Garage oder Kellerabteil wohnt, hat er die Not zur Tugend gemacht. Sein Montageständer steht oft mitten im Wohnzimmer, direkt auf den hellen Holzdielen, nur geschützt durch einen alten Teppich. Das Fahrrad ist hier kein störendes Objekt, sondern Teil der Einrichtung. Zwischen Bücherregalen, die mit Bildbänden und alten Radsportmagazinen gefüllt sind, und einer Sammlung von Zimmerpflanzen, wird geschraubt, geputzt und gefettet.

„Das Schrauben gehört für mich genauso dazu wie das Fahren“, erklärt Lars. Es hat etwas Meditatives, die Schaltung präzise einzustellen oder ein neues Lenkerband zu wickeln, während im Hintergrund leise Indie-Musik oder Jazz läuft. Diese Symbiose aus Wohnen und Werkstatt verkörpert genau das, was viele moderne Radfahrer fühlen: Das Bike ist kein Sportgerät, das man im Keller versteckt, sondern ein geliebtes Designobjekt und ein treuer Begleiter. Seine Tutorials, die er oft direkt vom Sofa aus filmt, sind legendär für ihre ruhige Art. Keine hektischen Schnitte, keine laute Musik – nur Lars, das Werkzeug und das leise Klicken des Freilaufs.

Der Norden als ultimatives Gravel-Revier

Oft wird Lars gefragt, warum er nicht in den Süden zieht, wo die Berge sind und die Sonne öfter scheint. Doch er ist ein glühender Verfechter des Nordens. „Wir haben hier keine Berge, aber wir haben den Wind“, sagt er philosophisch. „Der Wind ist der Berg des Nordens. Er formt den Charakter.“ Seine Routen führen ihn meist über die endlosen Wirtschaftswege zwischen den Feldern, entlang der Deiche oder durch die dichten Kiefernwälder der Lüneburger Heide. Der Untergrund wechselt ständig zwischen feinem Sand, grobem Schotter und festem Waldboden – das perfekte Terrain für sein Gravel Bike.

Die Weite der Landschaft gibt ihm Raum zum Denken. Es gibt Tage, an denen er stundenlang niemandem begegnet. Diese Einsamkeit genießt er. Sie erlaubt ihm, komplett abzuschalten und neue Ideen für seine Texte zu sammeln. Wenn er dann abends, durchgefroren und müde, wieder in sein warmes Wohnzimmer kommt, das Rad reinigt und sich auf das Sofa fallen lässt, ist die Welt für ihn in Ordnung. Es ist dieses einfache, reduzierte Glück, das Lars Holm verkörpert und das ihn zu einer so inspirierenden Figur für die moderne Radkultur macht.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Kamera benutzt Lars für seinen Blog?

Lars verwendet meist eine kompakte Vollformatkamera mit einem 35mm-Objektiv, um den natürlichen Look einzufangen. Für schnelle Schnappschüsse während der Fahrt greift er auch gerne auf eine hochwertige analoge Kompaktkamera zurück.

Warum fährt Lars Stahlrahmen statt Carbon?

Er schätzt die Langlebigkeit und den Komfort von Stahl, der Vibrationen besser dämpft als steifes Carbon. Zudem passt die klassische Ästhetik dünner Rohre besser zu seinem entschleunigten Lebensstil.

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